Deportiert am 19. Juli 1942: Rebekka und Julius Frensdorff, Weidenallee 23

Vor dem Hauseingang der Weidenallee 23 liegen drei Stolpersteine für Rebekka, Julius und Siegfried Frensdorff. Rebekka und Julius Frensdorff wurden am 19. Juli 1942 über die Schule Schanzenstraße nach Theresienstadt/Terezin, in der Nähe von Prag, deportiert, und das ist der Anlass, über sie zu berichten. Siegfried Frensdorff wurde bereits am 8. November 1941 nach Minsk deportiert. Alle drei wurden ermordet.

Rebekka Frensdorff, geb. Katz, wurde am 17.April 1864 in Jesberg bei Kassel geboren. Sie war mit Julius Frensdorff verheiratet, der am 2. Januar 1869 in Hannover zur Welt kam. Das Paar hatte vier Kinder: Louis (geb. 8. September 1894 in Jesberg), Max (geb. 11. Dezember 1895 in Hannover), Käthe (geb. 31. Dezember 1898 in Hannover) und Siegfried (geb. 23. September 1901 in Hannover). Die Geburtsorte (Jesberg und Hannover) vermitteln ein Bild, wo die Familie aufwuchs. Julius hatte erst in Hannover und später in Hamburg ein Fahrzeugunternehmen. Er produzierte Luxuskutschen. Das Geschäft muss um die Jahrtausendwende geboomt haben. Die motorisierten Fahrzeuge kamen gerade erst auf den Markt. Benz hatte seinen Verbrennungsmotor 1886 entwickelt und es dauerte noch Jahrzehnte, bis der Verbrennungsmotor die Welt eroberte. 

Frensdorff verlagerte seine Geschäftsaktivität nach dem 1. Weltkrieg von Hannover nach Hamburg. Seit 1916 hatte er seine Geschäftsadresse in der Jägerstraße 51, die heutige Wohlwillstraße und die Wagenhalle war an der Ecke zur heutigen Thadenstraße (damals Große Gärtnerstraße). Seit 1917 war das Geschäft dann in der Bleicherstraße 78. Das Grundstück kaufte er in den 1920er Jahren.

Seine drei Söhne stiegen nach ihren kaufmännischen Ausbildungen in das Unternehmen ein, die Firmierung lautete Frensdorff & Söhne. Die Familie wohnte in einer großen Wohnung in der Eimsbütteler Chaussee 37. Das Haus an der Ecke Waterloostraße/Eimsbütteler Chaussee gibt es heute nicht mehr, hier steht jetzt ein schöner Neubau. Max, Louis und Käthe, Frensdorff bauten sich alle eine eigene Familie auf und lebten mit ihren Partner:innen zusammen in Hamburg. 

Wir erleben heute, dass die Digitalisierung Prozesse und Beziehungen im Geschäftsleben grundlegend verändert. Die Veränderungen führen zur Anpassung und Neuaufstellung. Wer das zu spät macht und seine Geschäfte nicht neu ausrichtet, kann in die Krise kommen. Die Geschäftsidee der Frensdorff lebte von den Kutschen und den sie ziehenden Pferden. Die  Motorisierung verdrängte das Geschäft, Frensdorff & Söhne kamen 1931/1932 in eine existenzielle Krise. Louis blieb alleine im Geschäft, Julius war in Folge von Weltwirtschaftskrise und industriellem Umbruch faktisch am Ende und musste alles verkaufen, um die Schulden zu bedienen. 1932 war seine Lage so prekär, dass er von der Fürsorge lebte, sie mussten die Wohnung in der Eimsbütteler Chaussee 37 verlassen, kurzfristig wohnten Rebekka und Julius in der Tornquiststraße 4 (1933), zogen 1934 zu ihrem Sohn in die Weidenallee 23. Hier lebten sie bis 1940, dann zogen sie in die Papagoyenstraße 1 (diese Straße gibt es nicht mehr, dort ist heute ein Park am Fischmarkt).  

Rebekka und Julius Frensdorff mussten sich zur Deportation am 19. Juli 1942 in der Schule Schanzenstraße einfinden. Insgesamt wurden an diesem Tag 825 jüdische Menschen über die Schule nach Theresienstadt/Terezin deportiert. Julius und Rebekka wurden am 21. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und nach 1945 für tot erklärt.   

Der Sohn der Frensdorffs, Siegfried schlug in den 1920er Jahre eine andere Karriere ein. Er wurde ein prominenter deutscher Pferd-Rennfahrer und hatte eine eigene Lizenz für einen Trab-Rennstall. Die finanziellen Mittel dafür hatte er von seinem Vater bekommen. Da er Jude war, erhielt er 1933 keine Lizenz mehr und durfte keine Rennen mehr fahren. Er wohnte seit 1934 im Parterre in der Weidenallee 23. Siegfried sicherte sich danach seinen Lebensunterhalt als Koffer-Händller, aber 1938 wurde ihm auch hier die Lizenz entzogen. 1940 musste er aus der Weidenallee 23 ausziehen und lebte in der Altonaer Großen Bergstraße 100. Den Deportationsbefehl erhielt er zum   8. November 1941 und wurde nach Minsk deportiert. Er wurde 1945 für tot erklärt. 

Louis Frensdorff war 1932/33 aus dem Unternehmen ausgeschieden und soll sich als Reisender für das Schuhunternehmen Leopold Lindenborn  engagiert haben.  1938 wurde ihm diese Berufsausübung untersagt. Er, seine Partnerin, Lilly (Ballin) sowie ihre Tochter Inge (und deren Familie) wurden am 25. Oktober 1941 ins polnische Lodz/Lietzmannstadt deportiert. Er starb dort am 5. April 1942, seine Familie wurde im Mai 1942 dort in den Gaskammern ermordet, Stolpersteine vor der Eppendorfer Haynstraße 3 erinnern heute an sie.

Max Frensdorff und seine Partnerin, Ilse (Fallek) wurden am 8. November 1941 nach Minsk deportiert. Die beiden wohnten in der Hansastraße 73. Er war nach 1932 der einzige, der im väterlichen Betrieb blieb. Durch die “Arisierung” (alles jüdisches Eigentum musste verkauft werden) wurde er gezwungen, den Betrieb 1938 zu verkaufen. In dem Kaufvertrag hieß es: “Der bisherige Firmenname J. Frensdorff & Söhne darf auch mit einem der der Nachfolgeschaft ausdrückenden Zusatz nicht fortgeführt werden.” 

Käthe Frensdorff konnte mit ihrem Mann und ihren Kindern 1939 über England in die USA fliehen. Sie überlebte als einzige aus der Familie.

Jedes Jahr findet bei uns im Viertel eine Kundgebung anlässlich der Juli-Deportation von 1942 über die Schule Schanzenstraße statt. Dieses Jahr ist die Kundgebung, zu der wir Euch herzlich einladen, am Mittwoch, den 19. Juli 2023 um 17 Uhr vor dem Haupteingang der Ganztagsgrundschule Sternschanze auf Höhe der Altonaer Straße 38.

Hier befinden sich alle Namen der damals über die Schule Deportierten auf mehreren Tafeln, auch die von Rebekka und Julius Frensdorff stehen dort unter dem 19. Juli 1942. 

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