Im April 1943 bemühte sich Franziskus Geisler aus der Eimsbütteler Chaussee 45 um die Entlassung seiner beiden Söhne, Franz (geb. 1912) und Johann (geb. 1908), aus dem KZ Auschwitz. Damals wohnte er in Haus 3 der Terrassenhäuser bei Amalie, geborene Geisler, und Wilhelm König. Franz und Johann wurden im März 1943 in Kassel festgenommen und vermutlich über Fulda am 23. März nach Auschwitz deportiert. Die Sinti und Roma mussten im eigenen „Lagerabschnitt B II e“ auf dem Gelände des Vernichtungslagers KZ Auschwitz II leben, das drei Kilometer vom Stammlager Auschwitz I entfernt lag.
Er wandte sich am 7. April 1943 an den sogenannten Reichsminister für Propaganda. Franziskus’ Anliegen wurde an das für die Verfolgung der Sinti und Roma zuständige Reichskriminalpolizeiamt weitergeleitet. Dieses antwortete ihm am 1. Juni 1943, dass der Eingabe nicht entsprochen werden könne. Seine Söhne seien „begutachtet“ und zur Deportation ins KZ Auschwitz bestimmt worden.

Die national- sozialistische Hetze stigmatisierte Roma und Sinti als „schädlich“ für das „deutsche Blut“. Mit den „Nürnberger Rassegesetzen“ von 1935 wurden sie als „fremdrassig“ und „undeutschen Blutes“ zu Menschen minderen Rechts erklärt. Zur „Reinhaltung des deutschen Blutes“ waren ihnen ab 1936 Eheschließungen und außereheliche Beziehungen mit der Mehrheitsgesellschaft unter schwerer Strafe verboten. Sie wurden zentral erfasst und nach rassistischen Kriterien kategorisiert – eine Grundlage für die späteren Deportationen in die Vernichtungslager, die auch Johann und Franz Geisler sowie deren Partnerinnen und Kinder betrafen.
Was die “Begutachtung” betraf, so gab es im Reichsgesundheitsamt in Berlin seit 1936 eine “Rassenhoygienische Dienststelle”, die sogenannte Stammbäume über die Sinti und Roma erstellte. Dafür fuhren die Angestellten dieser Dienststelle auch zu den Familien. Bis 1944 wurden knapp 24.000 “Rassengutachten” verfasst. Diese bildeten eine wichtige Grundlage für weitere Verfolungsmaßnahmen gegen die Sinti*zze und Rom*nja, die in der Deportation und Ermordung eines großen Teils dieser ethnischen Minderheit mündeten.
Um was geht es?
Franziskus Geisler (geb. 1875) war der Großvater von Agnes Geisler (geb. 1933). Sie wohnte damals nicht weit von Ihnen entfernt, in einer Kellerwohnung in der Hellkamp 36. Mit ihren Eltern und Geschwistern wurde sie am 11. März 1943 über den Hannoverschen Bahnhof (heute Hafencity, hinter dem SPIEGEL-Gebäude) nach Auschwitz deportiert. Agnes hatte 2024 ihre Erinnerungen dem Lehrer Louis Pawellek erzählt, der sie ausschrieb.
Was möchte ich von Ihnen?
Leider ist Agnes kurz nach ihrem 92. Geburtstag Ende Januar 2025 verstorben. Jetzt ist eine Veranstaltung in der Wolfgang-Borchert-Schule geplant, in die ihre Schwester Marianne (geb. 1931) ging.
Im KZ Auschwitz (II) verloren sie ihre Mutter Maria (geb. 1899) und ihre Nichte Doris (geb. 1942). 1944 wurden sie zur Zwangsarbeit ins KZ Ravensbrück verschleppt. Während Marianne später ins KZ Buchenwald kam, wurde Agnes ins KZ Mauthausen deportiert und schließlich im KZ Bergen-Belsen befreit.
Einladung zur Buchlesung am 9. April 2025, 19 Uhr, in der Wolfgang-Borchert-Schule
Zusammen mit Louis Pawellek, der Agnes‘ Erzählungen auf 80 Seiten niedergeschrieben hat, findet am Mittwoch, den 9. April 2025, um 19 Uhr in der Wolfgang-Borchert-Schule (Schwenckestraße 91/93) eine Buchlesung statt. Es gibt mehrere Mitschnitte der Gespräche mit Agnes, sodass man sich auch ein Bild von ihr machen kann.

Diese Info wurde in die Briefkästen der Bewohner:innen um die Eimsbütteler Chaussee 45 verteilt.

