Über eine der ersten Bewohnerinnen der Agathenstraße 3, Clara Barasch

Eine der ersten Bewohnerinnen des Nanny Jonas Stifts in der Hamburger Agathenstraße 3 war ab 1903/04 die Witwe Clara Barasch, geb. Isaacsohn. Sie wurde am 11. Juni 1826 als Tochter des Lehrers, Toraschreibers und langjährigen Leiters der Rendsburger Talmud-Tora-Schule Nehemias Isaacsohn (ca. 1790 – 1874) und seiner Ehefrau Fanny Vogel, geb. Joseph (gest. 1886), in Rendsburg geboren. Clara hatte zwei Schwestern, Minna und Rosa, und einen Bruder, Joseph Nehemias. Clara heiratete den Kantor, Lehrer und Schochet Aron M. Barasch, der bis 1867 an der Rendsburger Religionsschule tätig war. Sie hatte mit ihm mindestens einen Sohn: den am 26. März 1865 geborenen Simon Barasch, der später Kaufmann wurde. In den 1892 erschienenen Satzungen des israelitischen Frauenvereins zu Rendsburg erscheinen Clara Barasch und ihre Schwester Rosa als die beiden Vorsteherinnen des Vereins. Rosa war mit Louis Berju verheiratet, dem langjährigen Vorsteher der Chewra Kadischa in Rendsburg. Clara Barasch ist vermutlich nach dem Tod ihres Ehemannes, der wie auch andere Familienmitglieder auf dem Jüdischen Friedhof in Rendsburg beigesetzt wurde, dann offensichtlich nach Hamburg gezogen, wo seit etwa 1895 bereits ihr Sohn Simon lebte. Im Hamburger Adressbuch ist Clara Barasch erstmals in der Ausgabe für 1904 zu finden. Bis zu ihrem Tod am 14. August 1911 hat sie durchgängig in der Agathenstraße 3 im Hochparterre gewohnt. Ebenfalls ab der Adressbuch-Ausgabe 1904 ist unter derselben Adresse eine Witwe Behrens aufgeführt. Diese Witwe Pauline Behrens war eine geborene Barasch. Sie hat auch die Sterbeurkunde für Clara Barasch beantragt. Das genaue Verwandtschaftsverhältnis zwischen den beiden Frauen konnte bisher nicht geklärt werden. Eventuell war Pauline die Schwester von Claras Ehemann Aron Barasch.

Grabstein von Simon Barasch auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weissensee, Frühjahr 2022

Clara Baraschs Sohn Simon Barasch hat am 22. November 1895 in Hamburg Clara Simon (1870 – 1962) geheiratet. Sie war die Tochter von Julius Salomon Simon und seiner Frau Minna, geb. Isaacsohn. Minna war die Schwester von Simon Baraschs Mutter. Somit war Clara Simon die Cousine von Simon Barasch. Sie wurde durch ihre Heirat zu Clara Barasch junior. Simon und Clara Barasch hatten zwei Kinder, eine Tochter Paula (1896 – 1959) und einen Sohn Julius (1898 – 1943). Etwa 1905 zog die Familie Barasch nach Berlin, wo Simon Barasch in der Schürzenfabrikation tätig war. Er starb 1926 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt. Sein Grabstein ist bis heute erhalten.

Claras und Simons Sohn Julius Barasch wurde Journalist und arbeitete nach dem 1. Weltkrieg beim Berliner Tageblatt von Rudolph Mosse. In dieser Funktion verfasste er 1919 eine kritische Rezension zu einem Buch des völkischen Autors Arthur Dinter. Dinter erhob wegen dieser Rezension eine Beleidigungsklage. In der Folge dieser Angelegenheit mussten Julius Barasch und seine Frau Irma, geb. Marcuse (1893 – 1943), Anfang 1933 in letzter Sekunde vor der GeStaPo über Paris nach Kopenhagen fliehen, wo sie ohne Arbeitsgenehmigungen ein kärgliches Leben fristeten. Wegen weiterer politischer Betätigungen in Dänemark geriet Julius Barasch erneut ins Visier der Polizei. Zusammen mit seiner Frau wurde er 1942 verhaftet, nach Berlin gebracht und nach Auschwitz deportiert. Dort wurden beide 1943 ermordet. In Kopenhagen liegen Stolpersteine für Julius und Irma Barasch.

Julius Baraschs Schwester Paula konnte 1936 nach Australien auswandern, zusammen mit ihrem Mann Osias Rosenstrauss (1893 – 1950) und den beiden Kinder Alfons Martin (1925 – 2012) und Margot (1929 – 1980) sowie mit der Mutter Clara Barasch junior.

Autor: Hannsjörg Schmieder

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