Heute, genau vor 80. Jahren, mussten sich Helene und Boroch Bauer aus der damaligen Margaretenstraße 15 auf dem Platz an der Moorweide in der Nähe vom Dammtor Bahnhof einfinden.
Aber auch andere jüdische Mieter/innen in der Margaretenstraße 74, Vereinsstraße 7 und 40a, der Lindenallee 12, der Bellealliancestraße 60, der Weidenallee 10 und 48, der Agathenstraße 3, dem Kleinen Schäferkamp 32 und der Schäferkampsallee 61 erhielten ihren Deportationsbefehl zum 7. November 1942 per Post: Sie “haben sich am 8. November zwischen 10 und 12 Uhr in der früheren Jüdischen Loge in der Moorweidenstraße einzufinden. Der Wohnungsschlüssel ist vor Verlassen auf der nächsten Polizeistation abzugeben. Die Wohnung und ihr Inhalt darf nicht verkauft oder beschädigt werden. Sie sind in gutem Zustand zu hinterlassen. Jedes Mitglied der Familie kann einen Koffer mitnehmen, der 50 Pfund Kleidung, Bettwäsche und Schuhe enthalten darf. Alles Eigentum, Konten, Bargeld und Wertgegenstände sind hiermit beschlagnahmt. gez. Die Stadt Hamburg.“ Von den 960 verschleppten Hamburger Jüdinnen und Juden überlebten drei. Aus Hamburg gab es bis 1945 noch insgesamt 20 Deportationen jüdischer Menschen in Orte ihrer Vernichtung. Die größte Deportation erfolgte am 15./19. Juli 1942 über die damalige Volksschule Schanzenstraße, heute die Ganztagsgrundschule Sternschanze, mit über 1.700 jüdischen Menschen.
Die Namen der Deportierten jüdischen Menschen aus unser Nachbarschaft am 8. November 1941
Das Getto in Minsk
Magartenstraße 15 | Agathenstraße 3 | ||
Boroch Bauer | 04.12.1890 | Frieda Frank | 27.12.1911 |
Helene Bauer | 25.12.1890 | Herbert Frank | 21.01.1890 |
Magaretenstraße 74 | Anita Meier | 31.01.1919 | |
Jean Gottlieb | 29.11.1890 | Henry Meier | 15.05.1915 |
Vereinsstraße 7 | Lothar Meier | 15.05.1915 | |
Henry Poless | 05.05.1890 | Rosa Meier | 24.02.1882 |
Auguste Spitzkopf | 14.08.1879 | Frieda Oppenheimer | 24.01.1894 |
Charlotte Spitzkopf | 04.05.1915 | Henriette Oppenheimer | 04.08.1863 |
Kurt Spitzkopf | 11.12.1914 | Kleiner Schäferkamp 32 | |
Heinz Spitzkopf | 17.01.1934 | Max Grossmann | 14.01.1881 |
Vereinsstraße 40a | Nathan Grossmann | 19.11.1812 | |
Waldemar Cohn | 20.07.1890 | Lina Bähr | 20.11.1887 |
Schäferkampsallee 61 | Rudolf Bähr | 15.06.1914 | |
Herbert Hirsch | 01.12.1879 | Lina Scheuwechsel | 06.09.1875 |
Lea Hirsch | 25.03.1880 | Siegfried Scheuwechsel | 20.09.1918 |
Lindenallee 12 | Gertrud Levinsohn | 0.10.1907 | |
Bernhard Rosenberg | 26.12.1883 | Ellen Weis | 24.03.1922 |
Marta Rosenberg | 21.04.1887 | Gerda Weis | 28.04.1922 |
Bellealliancestraße 60 | Louis Weis | 25.03.1887 | |
Heiman Freundlich | 08.07.1882 | Marta Weis | 28.05.1891 |
Weidenallee 10 a | Arnold Wittmund | 21.12.1929 | |
Theophile Blanari | 19.7.1880 | Else Wittmund | 05.07.1901 |
Jacob Blanari | 27.8.1880 | Felix Wittmund | 22.01.1931 |
Weidenallee 48-50 | Lisa Wittmund | 25.08.1932 | |
David Bukofzer | 05.08.1891 |
Vor dem Überfall auf die Sowjetunion lebte in Minsk eine der größten jüdischen Gemeinden des Landes. Mitte Juli 1941 befahlen die deutschen Besatzer ihnen, in das zwei Quadratkilometer große Ghetto im Nordosten der Stadt zu ziehen. Der Hamburger Transport traf am 11. November 1941 in Minsk ein. Unmittelbar vor der Ankunft erschossen Einheiten der Sicherheitspolizei über 6.000 Juden, um “Platz zu schaffen” für die deutschen Juden. Die Lebensbedingungen für die vielen alten Menschen waren äußerst schwierig: Sie galten als nicht arbeitsfähig, und sie waren nicht nur physisch, sondern auch sprachlich fast vollständig von ihrer Umgebung isoliert. Die Juden im Ghetto wurden zur Zwangsarbeit bei der SS und der Wehrmacht, in Werkstätten, bei der Reichsbahn und der Organisation Todt eingesetzt. Die extreme Witterung, unzureichende Ernährung und nicht vorhandene medizinische Versorgung führten zu vielen Toten. Die überlebenden Juden aus Hamburg wurden im Mai und im September 1943 erschossen oder in Lastwagen mit Abgasen erstickt.
Erinnerung an Deportationen bei uns im Stadtteil
Am 9. November 2021, in Erinnerung an die November-Pogromen 1938, wollen wir eine Stolperschwelle vor der Ganztagsgrundschule Sternschanze in der Schanzenstraße verlegen. Sie soll an die Schülerinnen und Schüler der Israelitischen Töchterschule aus der Karolinenstraße 35 erinnern, die am 15. und 19. Juli 1942 über die Schule Schanzenstraße verschleppt wurden. Es handelt sich um 13. Sie hatten am 30. Juni 1942 ihr Abgangszeugnis bekommen. Die Israelitische Töchterschule selber war bereits zum 14. Mai 1942 geschlossen wurde. Um 18 Uhr findet eine Kundgebung gegenüber dem Sternschanzen-Bahnhof statt, dort wird auch ein Sohn eines Schülers der jüdischen Schule sprechen. Um 18.30 Uhr wollen wir vom Vorplatz des Vereinshaus des SC Sternschanze zur Schule gehen, um die Stolperschwelle für die 13 Schülerinnen und Schüler der Öffentlichkeit zu übergeben. Stolpersteine in den Hamburger Gehwegen erinnern an einzelne NS-Opfer, die Schwelle will das Schicksal einer größeren Gruppe aufgreifen.