Heinrich Witthöft, NSDAP und Schulleiter in der Schule Schanzenstraße nach 1945

Nach 1945 war nicht alleine die Volksschule Schanzenstraße eine Sammelstelle für Nazi-Lehrer in Hamburg. Dennoch erschreckt es, wenn man an der Schule vor Ort weitere von ihnen findet. Neben Emma Lange (1946–1957) und Ingrid Möller (1957 – 1982) sind jetzt weitere Namen von Schulleitern aus der Schule Schanzenstraße aufgetaucht, die vor 1945 in der NSDAP waren, verantwortliche Stellung hatten und nach 1945 unbehelligt als Schulleiter weiter arbeiten konnten. Das Besondere: Sie waren Schulleiter der Sprachheilschule Schanzenstraße, die in den Räumen der Volksschule Schanzenstraße eine Sonderschule verantworteten.

Staatsarchiv Hamburg 221-11 K 1542 153

Adolf Lambeck, Schulleiter bis und nach 1945 der Sprachheilschule

Adolf Lambeck (geboren am 19. November 1887), ein völkischer und rassistischer Lehrer, war seit dem 1. März 1935 Schulleiter der Sprachheilschule Altonaer Straße/Schanzenstraße und bis zu seiner Pensionierung Schulleiter der Sprachheilschule in der Karolinenstraße. “Als Mitglied des ‚Nationalsozialistischen Lehrerbundes’ (NSLB) und Fachschaftsleiter der Gaufachschaft V (Sonderschulen) in Hamburg organisierte er Fortbildungsveranstaltungen, trat in seinen umfangreichen Veröffentlichungen beispielsweise für die „Aussonderung von minderwertigem Menschenmaterial aus der Sonderschule“ ein und redete der Sterilisation von ‚Erbkranken‘ das Wort.”(Krämer-Kilic, Inge K.In: Behindertenpädagogik, 39 (2000) 4, S. 421-442). Er war seit 1937 Mitglied der NSDAP und gehörte zum Korps der Politischen Leiter in der NSDAP.

Das „Korps“ wurde 1946 zur verbrecherischen Organisation erklärt. Für schuldig gesprochen wurden damals alle Reichsleiter, Gauleiter und Kreisleiter, sofern sie nach dem 1. September 1939 tätig gewesen waren. Nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 waren damit Strafen vom „teilweisen Verlust der bürgerlichen Rechte“ bis zur Todesstrafe möglich. Diese Rolle von Alfred Lambeck in der NSDAP war in seinem Entnazifizierungsverfahren kein Gegenstand. Die Stadt Hamburg bedankte sich anlässlich seiner Pensionierung 1952 für seine Arbeit.

Heinrich Witthöft, NSDAP und verantwortlich für den HJ-Aufbau in den Sprachheilschulen

Heinrich Witthöft (geboren am 10. Januar 1902) war seit 1928 Lehrer an Sonderschulen, von 1937 bis 1939 verantwortlich für den Haufbau der Hitler-Jugend an den Sprachheilschulen in Hamburg. Ab 1937 war er in der NSDAP. Heinrich Witthöft war nach 1945 Schulleiter an der Sprachheilschule Schanzenstraße, mit dem gleichen rassistischen Gedankengut aus der NS-Zeit, wie spätere Dokumente belegen. Die Rahmenbedingungen hatten sich natürlich grundsätzlich geändert und als Nazi wollte keiner mehr auftreten. 

HamburgerAbendblatt, 17.3.1964

Witthöft blieb bis 1964 Schulleiter der Münzstraße, wohin die Sprachheilschule Schanzenstraße 1952 umgezogen war. Nach 1945 hatte er immer wieder irgendwelche dümmlichen Geschichten über die NS-Schulzeit angeboten, aber seine NSDAP-Mitgliedschaft und seine Rolle verschwieg er tunlichst. Das Abendblatt schrieb 1964 von Witthöft über einen “in der Fachwelt anerkannten Leiter der Hamburger Volks- und Mittelschule für Schwerhörige.” Unreflektiert ergänzte das Blatt: “Seit 1937 ist er unterbrochen an dieser bewährten Schule tätig, nach 1945 wurde er mit der Leitung betraut.”

Die Sprachheilschule Schanzenstraße, ab 1939 in der Felix-Dahn-Straße

Die Sprachheilschule (Schanzenstraße) war ursprünglich seit 1922 in der Schule Seilerstraße 42 angesiedelt. Seit 1925 wurde der Sitz der Sonderschule an die Schanzenstraße/Altonaer Straße verlegt (mit einer einjährigen Zwischenstation 1924 in der Eckernförder Straße 83). 1939 zog Lambeck mit der Schule in die benachbarte Schule in der Felix-Dahn-Straße 7. 

Der Auszug aus der Felix Dahn-Straße 1942

Im Mai 1942 mussten die beiden Sprachheilschulen wieder aus der Felix-Dahn-Straße ausziehen. Sie wurden wieder auf zwei Standorte verteilt: Einmal zurück in die Schule Schanzenstraße 105, wo im 3. Stock Klassenräume leer standen und zum anderen in die Israelitische Töchterschule, in der Karolinenstraße 35. Diese wurde der jüdischen Gemeinde im April 1942 von der Stadt Hamburg geraubt.

Mit dem Bombardement Hamburg am Juli 1943 endete der komplette Schulbetrieb. Aus der Schule wurde ein Zwangsarbeitslager für 400 italienische Militärinternierte bis Mai 1945. Der Schulbetrieb in der Sprachheilschule Schanzenzstraße/Altonaer Straße begann am 6. August 1945 mit 7 Kindern. Zum 1. September 1945 waren es bereits 92 in vier Klassen.

Von der Schanzenstraße in die Münzstraße, von der Karolinenstraße in die Burgstraße

Die beiden Sprachheilschulen blieben in der Karolinenstraße 35 und der Schanzenstraße 105 getrennt bestehen. Lambeck verantwortete die Karolinenstraße, Witthöft die Schanzenzenstraße. 1952 zog die Sprachheilschule Schanzenstraße 105 in die Schule Münzstraße, während der andere Teil Jahrzehnte in der Karolinenstraße verblieb. 1980 erfolgte der Umzug der ursprüngliche Schwerhörigenschule Kampstraße 58 nach Marienthal in die Schule Zitzewitzstraße. 

Während Nazi-Lehrer:innen ihre Pensionen und Vergünstigungen bekamen, wurde den NS-Opfer unter den Lehrer der den Sprachheil- und Gehörlostenschule ihrer Entschädigung bestritten

Der Schulleiter der Sprachheilschule, Adolf Lambeck, wurde 1952 pensioniert. Heinrich Witthöft 1964. Seine schriftlichen Notizen aus den 1950er Jahren über seine Arbeit in der Münzstraße (ehemals Schanzenstraße/Altonaer Straße) verweisen darauf, dass der gleiche Rassist geblieben ist, wie er vor 1945 war. Wie Emma Lange nach 1945, schrieb er zehn Jahre später über seine Beginn in der Sprachheilschule Schanzenstraße, dass die italienischen Militärinternierten, die von 1943 bis 1945 als NS-Zwangsarbeiter leben mussten, verantwortlich sein für den Zustand der Schule und äußert sich entsprechend über sie.

Während Nazis weiter Verantwortung in den Schulleitungen und NSDAP-Mitglieder als Lehrer:innen wie Elisabeth Brandt/Conrath in den Sprachschulen ungestört arbeiten durften, bestritt zur gleichen Zeit das Personalamt die Entschädigungsansprüche der verfolgten Lehrer:innen der damaligen Sonderschulen: Dorothea Elkan, 1933 aus der Sonderschule in der Kampstraße 58 wegen ihrer jüdischen Identität entlassen, wurde vom Personalamt in den 1950er Jahre ihre Wiedergutmachungs-Ansprüche bestritten. Ihr Kollegen, Louis Satow, 1933 auch aus der Kampstraße 58 rausgeschmissener Lehrer, machte nach 1945 die gleiche Erfahrung. Auch seine Wiedergutmachung wurde zuerst bestritten. Beide setzen sich Jahre später durch. 

Fritz Köhne sorgt für die Unterbringung der Nazis nach 1945 im Hamburger Schulwesen

Für die Unterbringung von Nazis an Hamburgs Schulen war Fritz Köhne aus der Hamburger Schulbehörde mit verantwortlich. Selber Oberschulrat in Hamburg bis 1945, am Raubkauf der Israelitischen Töchterschule beteiligt und in der NSDAP, konnte er in dieser Funktion nach 1945 bleiben. Er sorgte jetzt dafür, dass die Täter:innen nicht zur Rechenschaft gefordert wurden und sie einfach als Schulleiter weitermachen konnten. Die Debatte und Entscheidung über Kriterien, wie sich die Gesellschaft für einen Neuanfang des Schulen hätte geben sollen, wurden faktisch durch die Nazis “überschrieben”. 

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 221-11_Ed 3063

Das Vorgehen von Fritz Köhne nach 1945 ist ein Beispiel, wie pädagogische NS-Täter:innen durch die Stadt Hamburg weiterbeschäftigt werden konnten. Obwohl die NSDAP unter den Hamburger Lehrer:innen eine Kleinstgruppe waren, auf die man gut hätte verzichten können, wurden sie durchgereicht. Rassismus, Antisemitismus, “Erblehre” – alles das war kein Maßstab für den Neuanfang einer demokratischen Schule. Bei der Entnazifizierung von Adolf Lambeck, einem Mitglied einer Verbrecherorganisation, schrieb Köhne handschriftlich auf das Formular: “Ist als politischer Funktionär nicht in Erscheinung getreten, als Fachmann in der Heilung von Sprachgebrächen allgemein anerkannt ud. geschätzt.” Köhne hatte auch dafür gesorgt, dass Emma Lange trotz ihrer üblen Rolle beim Raubkauf der Israelitischen Töchternschule Schulleiterin der Volksschule Schanzenstraße nach 1945 bleiben konnte. Noch heute trägt in Hamburg eine Schule den Namen von Fritz Köhne.

Ein Kommentar

  1. Gut recherchiert! Immer wieder erschütternd, wie die NS-Täter nach 45 bruchlos weitermachen konnten, Kinder erziehen, Nachwuchs ausbilden und die Stadt Hamburg ein schützendes Nest für diese Typen war.

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