Station 3: Bartelsstraße 55, Johannes Auerbach – Stadtteilrundgang am 28. Juni 2023

Am 15. und 19. Juli 1942 wurden über 1.500 jüdische Menschen von der Schule Schanzenstraße nach Theresienstadt/Terezin, in der Nähe von Prag, deportiert. Darunter Henriette Völker, die in der Bartelsstraße 49 lebte. Sie gehörte zu den wenigen Überlebenden dieser beiden Deportationen aus unserem Viertel. Wir werden mit einer Kundgebung am Mittwoch, den 19. Juli 2023 um 17 Uhr vor dem Haupteingang der heutigen Ganztagsgrundschule Sternschanze, auf Höhe der Altonaer Straße 38, daran erinnern.

Außerdem werden wir am Mittwoch, den 28. Juni 2023 zwischen 17.15 und 17.30 Uhr im Rahmen eines Stadtteilrundgangs vor der Bartelsstraße 55 halten,  um über den „Roten Hof“ in der Bartelsstraße 55 und Johannes Auerbach zu erzählen. Konkret geht es um die heute nicht mehr existierenden vier Hinterhäuser. Die damalige Nachbarschaft wehrte sich vor 1933 gegen die Auftritte und die Werbung der NSDAP bzw. SA in ihren Straßen, so kam es zum Namen „Roter Hof“. Für heutige Verhältnisse ungewohnt, war die KPD 1931/1932 in den Straßenzügen Bartelsstraße/Susannenstraße die stärkste Partei mit über 30 Prozent, die SPD folgte mit über 29 Prozent. Im Wahllokal in der Bartelsstraße 36 wurden 1932 bei den Reichstagswahlen 315 Stimmen der KPD und 277 der SPD gegeben. Die Nazis hatten es in diesen Straßen schwer.

Der Stadtteilrundgang beschäftigt sich mit dem Widerstand der Nachbarschaft in der NS-Zeit. Es soll um Solidarität, Selbstbehauptung, Ungehorsam, Ablehnung des Krieges, des Widerstandes wie zum Beispiel der Weißen Rose oder die Aktivitäten von SPD und KPD gehen. Den „Roten Hof“ wollen wir zum Anlass nehmen, um etwas über Johannes Auerbach zu erzählen.

Wie sah die Widerstandsarbeit aus?

Hindenburg ernannte Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler. Am 27. Februar 1933 steckten die Nazis den Reichstag in Brand und verboten die KPD, der sie den Brandanschlag unterstellten. In Hamburg kam die NSDAP erst nach den Bürgerschaftswahlen am 5. März 1933 an die staatliche Macht. Die KPD hatte sich auf die Illegalität vorbereitet, erneuerte ihre Strukturen und das Personal.

Johannes Auerbach war am 29. Dezember 1932 von Paris nach Hamburg gekommen. Der KPD war er seit 1918 verbunden. Schon einige Wochen später hatte er die Leitungsaufgabe der KPD im Schanzenviertel übernommen und organisierte die Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung über die Folgen des Machtwechsels, z.B. in Form von Flugblättern. Vor allem aber ging es darum, die eigenen Mitglieder zu erreichen und zu informieren. Illegale Schriften wurden u.a. in neutralen Broschüren verteilt.

Wissenswertes über Johannes Auerbach: 

Johannes Auerbach wurde mehrfach seit 1933 verhaftet, erstmals vom 3. April bis zum 20. Mai 1933. Insgesamt war er 28 Monate inhaftiert. Am 6. November 1934 erfolgte die Anklage wegen „Hochverrat“ und wegen der Verbreitung von Schriften zur „Aufklärung der Massen“. Vorgeworfen wurde ihm, dass er u.a. Matrizen zur Druck von Flugblättern angenommen und an illegalen Versammlungen teilgenommen hätte. Er soll an einer mehrtägigen Beratung der KPD in Kopenhagen beteiligt gewesen sein, von wo aus die Organisierung der KPD für Norddeutschland geleitet wurde. In der Haft in Hamburg wurde er misshandelt und hatte bleibenden Schaden genommen. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis am 20. Oktober 1935 wurde er noch einmal festgenommen und im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Er wurde am Weihnachtsabend 1935 wieder entlassen. Eine Postkarte an einen Mitstreiter schien für die Nazis ein Beleg, dass er doch nicht „reuig“ war, wie er im Gefängnis den Eindruck erweckt hatte.

Staatsarchiv 351-11_18788

Über seinen Wohnort bis zu seiner ersten Verhaftung wissen wir leider nichts. An seine Mutter schrieb er am 29. Dezember 1932: “Ich habe mir bei einer gemütlichen Marktfrau ein Stübchen genommen.” Nach seiner Entlassung hatte er für einige Zeit ein Zimmer in der Bogenstraße 11 in Eimsbüttel. Ab August 1933 begann er, ein Atelier in der Stiftstraße 62 in St. Georg, zusammen mit Ernst Zehle, für Totenmasken einzurichten. Er wohnte dort auch.

Wer war Johannes Auerbach?

Johannes Auerbach wurde am 24. Mai 1899 in Wrocław/Breslau geboren. Seine Eltern, Käthe und Max, hatten vier Kinder: Johannes, Cornelia, Günther und Klaus. Johannes ging später auf das humanistische  Gymnasium in Jena und machte dort sein Abitur. Als Soldat musste er im 1. Weltkrieg dienen. Zuerst studierte er in Straßburg, später bis 1919 an der Hochschule für bildende Künste in Weimar. Danach war er einer der ersten Schüler am Weimarer Bauhaus von Prof. Walter Gropius. 1920 zog er nach Wilster in den „Lindenhof“ nach Schleswig-Holstein, um hier mit anderen in einer Art Künstlerkolonie zu leben. Er kehrte nach Berlin und Jena zurück. 1922 heiratete er Ingeborg Harnack. In der Nähe von Darmstadt wurde 1925 der erste Sohn Wulf geboren, 1926 folgte Claus. Von 1925 bis 1928 präsentierte Auerbach Ausstellungen in Paris und erhielt einige Preise. 1930 wurde er von Ingeborg geschieden.

Was wurde aus Johannes Auerbach?

Anfang 1936 hatte er Ingrid Fränckel kennengelernt und die beiden entschieden, gemeinsam von Hamburg nach England zu fliehen. Ingrid hatte einen englischen Pass, Johannes hatte seinen Reisepass am 19. März 1936 in Hamburg für die Ausreise nach England erhalten. Mitte Mai fuhr er los, Ende Mai 1936 folgte ihm Ingrid. Das Paar heiratete am 31. Mai 1936 in Wareham, Dorset. Doch ihr Ziel war Paris, wo er noch ein Atelier hatte. Am 4. Juni 1936 fuhren beide nach Capri, lebten einige Zeit in Malta und auf Zypern. Für Frankreich bekamen sie kein Visa, so dass beide im Oktober 1938 mit einem Besuchsvisum nach England zurückkehrten. Von 1940 bis 1946 arbeitete Johannes bei der britischen Armee. Das Paar erhielt 1946 die britische Staatsbürgerschaft und hießen fortan Amy und John Ivor Allenby. Er arbeitete in der Oxford School of Technology and Art, Ingeborg studierte ab 1940 in England Psychotherapie, promovierte und arbeitete später in diesem Beruf. John Allenby starb am 8. Februar 1950 an einem Herzinfarkt.

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