Liebe Nachbarn der Amandastraße 85, am 28. Juni 2023 findet ein Stadtteilrundgang durch die Straßenzüge bei uns im Viertel statt, der sich mit dem Thema „Widerstand bei uns in der NS-Zeit“ befasst. Er soll sich mit Personen befassen, die im Viertel gewohnt und gegen das NS-Regime Widerstand geleistet haben. Wir starten vor der Schanzenstraße 41, wo einst das Büro von Carl von Ossietzky war, dem Friedensnobelpreisträger, der 1938 ermordet wurde. Der Rundgang führt weiter durch die Bartelsstraße, die Amandastraße, die Weidenallee und die Schäferstraße. Es soll ein Bild vermittelt werden, was die Menschen bewegte und was sie taten. Es soll um Solidarität, Selbstbehauptung, Ungehorsam, Ablehnung des Krieges und den politischen Widerstand gehen.
Zur Familie Bredemeyer war ich schon einmal in Ihrem Briefkasten gelandet: Johanna und Wilhelm Bredemeyer zogen 1937 in die Amandastraße 85, davor wohnten sie in der Eimsbütteler Vereinsstraße 6. Die Familie kam aus Dörverden in Niedersachsen. Am 18. März 1926 war ihre Tochter, Amelia, zur Welt gekommen. Sie wurde am 1. April 1932 in der damaligen Volksschule Schanzenstraße 105 eingeschult. Mit der 8. Klasse verließ sie am 16. März 1940 die Schule.Bei den Valvo-Röhrenwerke, heute Philips, musste sie ab November 1940 “dienstverpflichtet” arbeiten. Später lernte sie den belgischen Arbeiter, Leopold García, kennen. Er war im von der deutschen Wehrmacht besetzten Belgien angeworben worden, um in Deutschland zu arbeiten. Leopold García wurde am 4. Mai 1920 in Liers in den Niederlanden geboren und hatte von 1940 bis 1942 in Buchholz im Kreis Stade im Westfleth 11 mit anderen belgischen Arbeitern eine Unterkunft.
Zeitweilig lebte er bei der Familie in der Amandastraße 85, was ein großes Risiko für alle beteiligten darstellte. Sie besprachen, dass er nach England flieht und sie ihm dann illegal folgen würden. Dazu besorgt sie sich einen Stadtplan von Hamburg und markiert verschiedenen geheime militärische Orte auf der Karte. Aus dem Erlös erhoffen sie sich, in England später ihre Flucht aus Nazi-Deutschland zu finanzieren. Doch die Flucht misslang. Am 3. Juni 1943 wurde Amalie Bredemeyer während der Arbeit von der Gestapo festgenommen, bis 9. November 1943 im Zuchthaus Fuhlsbüttel festgehalten und ins Gefängnis nach Berlin Plötzensee überstellt. Im Mai 1944 wurde sie wegen Landesverrats vom NS-Volksgerichtshof zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Sie wurde im „Frauenjugendgefängnis Lichtenberg” inhaftiert. Zu den Insassinnen gehörten mehrheitlich Deutsche sowie minderjährige Polinnen und Zwangsarbeiterinnen aus der Sowjetunion. Am 21. April 1944 wurde sie von der Roten Armee befreit. Leopold Garcia war ebenfalls verhaftet und wegen Landesverrat am 26. Juli 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet worden.