Vom Kleinen Schäferkamp 32 in die Schule Schanzenstraße 105, nach Theresienstadt und Auschwitz

Eine der über 1.700 über die damalige Volksschule Schanzenstraße 105 nach Theresienstadt deportierten jüdischen Frauen, Männer und Kinder am 15. und 19. Juli 1942 war Recha Lübke. Sie wohne zwangsweise im Judenhaus im Kleinen Schäferkamp 32. Am 19. Oktober 1944 wurde sie nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

Recha Lübke wurde am 6. März 1880 geboren und lernte den Beruf der Lehrerin. Von 1901 bis 1934 gehörte sie dem Kollegium der staatlichen Mädchenschule Rosenallee 11 an. 

Am 30. Juni 1934 wurde sie mit 54 Jahren aufgrund des § 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wegen ihrer jüdischen Identität aus der Schule entlassen. Schulleiter war der spätere Nazi-Schulsenators Karl Julius Witt. Er war Mitglied des im November 1920 gegründeten völkischen und antisemitischen Junglehrerbund Baldur an, dessen Vorsitzender er 1922. Witt war von 1924 für die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot bis 1933 der Hamburgischen Bürgerschaft an und war vor allem durch antisemitische Reden bekannt. Am 8. März 1933 wurde er als Senator für die Schulverwaltung gewählt. Am 1. Mai 1933 trat er in die NSDAP ein. Unter Witts Verantwortung wurden am 20. August 1933 insgesamt 315 Schulleiter aus dem Amt entfernt und durch politisch genehme Lehrer ersetzt. Bis 1935 wurden 637 Lehrer entlassen, die den Nationalsozialisten politisch missliebig waren.

Recha Lübke war aktiv in der Jüdischen Gemeinde, so als Mitglied des Repräsentanten-Kollegiums der Deutsch-Israelitischen Gemeinde und wurde im März 1921 in das Jugendamt gewählt. 1939 unternahm sie den Versuch, nach Palästina auszuwandern. Das konnte nur gelingen, wenn sichergestellt war, dass ihre Pension in das britische Mandatsgebiet überwiesen wurde und ihr Lebensunterhalt somit gesichert war. Ende Juli 1939 zeichnete sich eine entsprechende Regelung ab. Allerdings benötigte Recha Lübke noch Zeit, um ihre Wohnung aufzulösen und den Umzug zu organisieren. Unterdessen begann der Zweite Weltkrieg und an eine Einwanderung in britisches Gebiet war nicht mehr zu denken. 

Seit ihrer Entlassung aus dem Schuldienst betreute sie die älteren Bewohnerinnen des Frauen-Wohnheims des Israelitischen Humanitären Frauenvereins in der Innocentiastraße.  Der IHF war eine der ersten modernen sozialen Frauenorganisationen in Hamburg. Einerseits stand der Verein ganz in der jüdischen Tradition der Wohlfahrt, andererseits arbeitete er nach modernen Methoden der Sozialarbeit. Der IHF baute mehrere soziale Abteilungen auf. Neben traditionellen Einrichtungen wie Wohltätigkeitsbasaren, Unterstützungskassen und Krankenpflege wurden auch Projekte entwickelt, die vorbeugend gegen Armut und Krankheit wirken sollten. Hierzu zählten Angebote für gewerbliche Ausbildungen, die Einrichtung eines Jüdischen Gemeinschaftsheimes sowie Arbeitsnachweise. Zu dieser modernen Form der Sozialarbeit gehörten auch Kinderheime in Hamburg und Ferienhäuser in Bad Segeberg. Als das Wohnheim im Februar 1942 zwangsweise aufgegeben werden musste, wurde sie für die ordnungsgemäße Übergabe des Hauses verantwortlich gemacht. 

Der Deportationsbefehl nach Theresienstadt erreichte Recha Lübke am 19. Juli 1942 im Kleinen Schäferkamp 32. Sie hatte also zuvor aus der Isestraße in ein „Judenhaus“ umziehen müssen.

Vor der Isestraße 21 und der Rosenallee 11 liegt ein Stolperstein und erinnert an sie

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