Renate Adler, deportiert am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt und Überlebende

Renate Adler war am 22. Juli 1925 in Hamburg geboren. Ihre Mutter, Gerda Schönfeld, wurde am 14. Dezember 1903 geboren. Ihr Vater war Felix M. Schönfeld (Im- u. Exportfirma Benedict Schönfeld & Co. GmbH, 1872). 1924 heiratete sie Max Adler. Er war Anwalt und Juniorpartner in der Anwaltskanzlei Dres. Hermann Samson, Lippmann, Blunk und Rudolf Samson. Als Syndikus arbeitete er in den 1920er Jahren für die Hamburger Staatsoper. Gerda Adler erinnerte sich, dass sie häufig in der Oper waren und Besuch zu Hause hatten. “Infolgedessen waren wir jeden Abend in der Oper. … Im Zusammenhang mit den Staatsoperverpflichtungen kam es auch oft dazu, daß die Künstler im Anschluß an die Aufführungen mit uns in unsere Wohnung kamen, um sich zu stärken und zu unterhalten.”

Nach seinem Ausscheiden bei der Staatsoper wurde er Syndikus bei Hess & Mecklenburg. 

Staatsarchiv Hamburg 213-13_27719

Die Familie Adler wohnte im Loehrsweg 1, Ecke Haynstraße in Hamburg-Eppendorf. Auf Grund seiner erfolgreichen Anwaltstätigkeit konnten sie sich eine große Wohnung leisten. Mit der Ehe und der Geburt ihrer Tochter 1925 veränderte sich der Lebensschwerpunkte von Gerda weg von einer Pianistin-Ausbildung. Die Adlers hatten auch Hilfe im Haushalt. 

Max Adler starb am 1. November 1929. Durch die Regelungen im Sozietätsvertrag war Gerda finanziell für eine lange Zeit abgesichert, auf wenn sich die Lage der Kanzlei mit dem Machtantritt der Nazis und deren Antisemitismus ab 1933 änderte. Die Umsätze gingen massiv zurück und damit auch die Anteile für Gerda Adler aus der Gewinnausschüttung. 

Staatsarchiv 213-13_3665

Paul Mecklenburg, ihr Schwager und Mitinhaber von Hess & Mecklenburg, unterstützte sie ebenfalls finanziell, so dass Renate Adler eine gute Bildung erfahren konnte, wie ihre Mutter später erzählte.

Von 1931 bis 1935 ging sie auf eine private Volksschule und danach auf die private Realschule von Antonie „Toni“ Milberg in der Klopstockstraße 17 (heute Warburgstraße/Rotherbaum). Ihre Zeugnisse vermitteln, dass sie eine gute Schülerin war, wenn man die Noten dafür heranzieht. 

Staatsarchiv Hamburg 362-6/16-3 Band 5

Sie wurde als eine fröhliche Schülerin beschrieben. Im Frühjahr 1938 schloss sie die Realschule ab und kam auf die Emilie-Wüstenfeld-Schule (Gymnasium). 

Staatsarchiv Hamburg 362-6/16-3 Band 5

Ab 1935/1936 verließen die jüdische Schülerinnen und Schüler die staatlichen Schulen und gingen in die jüdischen Schule. Renate Adler wechselte noch im Frühjahr 1938 als eine der wenigen jüdischen Kinder in eine staatliche Schule, in die Emilie-Wüstenfeld-Schule.

Später, auf ihre Schulzeit in der NS-Zeit in den staatlichen Schulen angesprochen, sagte sie, dass ihre Mitschülerinnen hier zu ihr sehr nett waren.

In diese Zeit fielen auch die November-Pogrome 1938 gegen die jüdischen Menschen, deren Einrichtungen und Geschäfte. Gerda Adler hielt sich zu dieser Zeit mit einem Freund, Dr. Walter Rudolphi, in Baden-Baden auf. Er war 1933 von den Nazi als Richter vorzeitig pensioniert, vorher war er stellvertretender Präsident des Landesarbeitsgerichts. Rudolphi gehörte zu den rund 70 Personen, die von SS und Polizei in Baden-Baden während der November-Pogrome verhaftet wurden. Gerda Adler gelang es, ihren Gefährten freizubekommen. 

Die Nazi verfügten, dass zum 15. November 1938 alle jüdischen Schülerinnen und Schüler keine staatlichen Schulen mehr besuchen dürften. Da Renate Adler bis zum Schulabschluss im April 1939 noch einige Monate vor sich hatte, beantragte ihre Mutter bei der Schulbehörde, dass sie für die restliche Zeit privaten Unterricht bei Dr. Anita Riess nehmen möchte. Alberto Jonas, der Schulleiter der Israelitischen Töchterschule, stimmte dem Antrag zu.

Staatsarchiv Hamburg 361-2 II Abl 2007/1 331

Nach dem Schulabschluss im April 1939 war Renate Adler eine Ausbildung oder ein Studium verboten, so dass sie von Mai 1939 bis März 1941 die Angebote der jüdischen Gemeinde für eine handwerkliche Ausbildung in der Wilhelmshöhe als Gärtnerin bzw. der Jüdischen Fachschule für Schneiderei nutzte. Ab März 1942 wurde die 17 jährige gezwungen, in einer so genannten Judenkolonne, bei Steen & Co., zu arbeiten, vermutlich bis zu ihrer Deportation im Juli 1942. 

Arolsen-Archiv

Raubkauf jüdischen Eigentums 

Der Raubkauf des persönlichen Eigentums der jüdischen Menschens forcierte sich ab Februar/März 1939. Sie mussten ihren ganzen Schmuck abgeben. Gerda Adlers hatte einen Wert von 20.000 RM, die Nazis zahlten ihr etwas über 1.000 RM aus. Sie mussten später auch ihre Schreibmaschinen, Fotoapparate und Radios damals entschädigungslos abgeben. 

Im Januar 1942 mussten die beiden Klamoten abgeben. Ein Protokoll führt einen Schal, Handschuhe, Socken, ein Muff und eine Wollmütze auf.

Auf Anweisung (Bekanntmachung 21) vom März 1942 mussten sie ihre Wohnung im Löhrsweg 1 binnen 36 Stunden räumen, erinnert sich Renate Adler später. 

Die beiden mussten in ein so genanntes Judenhaus in der Heimhuderstraße 70 ziehen. Das Aktionshaus Elsass erlöste im April 1942 insgesamt 3.557,78 Reichsmark aus dem Verkauf des Haushalts. Der hatte einen viel größeren Wert in Höhe von insgesamt 85.000 RM.

Nach der Zwangsräumung ihrer Wohnung I. Löhrsweg und ihr Einzug in ein Zimmer in der Heimhuderstraße gab es noch weitere Enteignungen des unmittelbaren Besitzes Mäntel und Stoffe (10. Juni 1942), aber auch Schallplattenspieler und – Platten (17. Juni 1942) im “Judenhaus” in der Heimhuderstraße.

Hinzu kamen noch der Einzug der Wertpapiere und derBankguthabe, die vor allem für die “Deckung” der so genannten Judensteuer der Familie Adler eingezogen wurden. Dabei handelte es sich um über 70.000 RM bei Gerda Adler.

Am 14. Juli 1942 heiratete Gerda Adler den 62-jährige Walter Rudolphi. Ein höherer Gestapo-Mann hatte den langjährigen Klavierpartnerin von Walter Rudolphi mit der Aussage zur Eheschließung genötigt, dass nur bei einer Heirat die Deportation von Walter Rudolphi nach Auschwitz verhindert werden könne, was aber eine Lüge war. Am 15. Juli 1942 wurden Renate, Gerda und Walter Rudolphi, die Großeltern von Renate Adler über die Schule Schanzenstraße nach Theresienstadt/Teresin in der CSR deportiert.

In einem Video-Gespräch in den USA erinnerte sich Renate Adler an die Juli-Deportation 1942. Sie mussten sich einen Tag vorher in der Schule einfinden und wurden dann auf Lastwagen zum (Hannoverschen) Bahnhof gebracht. Man versuchte, sich mit allen Mitteln gegenseitig in dieser schweren Lage zu helfen, auch wenn es hart war. „Das Herz zerreißt einem, aber man konnte es nicht sagen.”

https://youtube.com/watch?v=-DIQ6lPuuNU%3Fversion%3D3%26rel%3D1%26showsearch%3D0%26showinfo%3D1%26iv_load_policy%3D1%26fs%3D1%26hl%3Dde-DE-formal%26autohide%3D2%26wmode%3Dtransparent

Am 23. Oktober 1944 wurden sie in einem Viehwagen nach Auschwitz deportiert. Renate Adler und ihre Mutter, Gerda Rudolphi, kamen in die Gruppe der jüngeren, arbeitsfähigen KZ-Häftlinge. Walter Rudolphi wurde bei einer „Selektion“ der Gruppe der Todeskandidaten zugeteilt. Am 30. Oktober 1944 wurde er mit Gas ermordet. 

Gerda Rudolphi wurde von Auschwitz in das Außenlager Salzwedel des KZ Neuengamme in eine Munitionsfabrik verschleppt. Die Polte-Werke Magdeburg besaßen hier einen Zweigbetrieb unter dem Namen „Draht- und Metallfabrik Salzwedel“. Seit Kriegsbeginn produzierte der Betrieb Infanterie- und Flakmunition. Die meisten der jüdischen Frauen im Außenlager Salzwedel kamen aus Ungarn, die anderen aus Polen und Griechenland. Die Frauen waren in drei Transporten aus Auschwitz-Birkenau bzw. Bergen-Belsen Ende Juli/Anfang August, im Oktober und im Dezember 1944 nach Salzwedel gebracht worden. Sie mussten in zwei 12-Stunden-Schichten arbeiten und waren in einem Barackenlager auf dem Gelände einer Düngemittelfabrik an der Gardelegener Straße untergebracht. Das KZ-Außenlager bestand vom Juli 1944 bis zum April 1945 und war das einzige Außenlager des KZ-Neuengamme, das am Ende des Zweiten Weltkrieges nicht geräumt wurde. 3000 Frauen wurden am 14. April 1945 von der US-Armee befreit.

Renate Adler wurde im November 1944 mit insgesamt 501 jüdischen Frauen in einem der drei Transporten ins Außenlager Oederan des KZ Flossenbrück in Sachsen verschleppt. 

Hier wurden sie zur Munitionsherstellung in zwei Schichten für die Deutsche Kühl- und Kraftmaschinen GmbH (Tochterfirma der Auto-Union) in der stillgelegten Nähfadenfabrik Kabis als Zwangsarbeiterinnen eingesetzt. 

Ein weiteres Kommando arbeitet in der Fabrik Salzmann. Einige Frauen mussten außerhalb des Lagers Elektrokabel verlegen. Das Lager war auf dem Fabrikgelände. 200 Frauen kamen aus Polen, 150 aus der Tschechoslowakei, 60 aus Ungarn, weitere aus den Niederlanden, Deutschland, der Sowjetunion und der Slowakei. 

Am 14. April 1945 wurde das Außenlager evakuiert und die Frauen in Viehwaggons in Richtung Böhmen gebracht und nach längerer Irrfahrt nach Theresienstadt deportiert. Dort erlebte Renate wie vielen anderen tausenden aus dem Getto Theresienstadt die Befreiung des Lagers durch die Roten Armee. 

Ihr Weg nach Hause führte sie im Juni 1945 nach Berlin, von wo sie im Juli 1945 nach Hamburg fuhr und später wieder in den Löhrsweg 1 einzogen.

Gerda Rudolphi kehrte am 13. Juni 1945 gesundheitlich schwer gezeichnet nach Hamburg zurück. Bei der Befreiung wog sie nur noch 40 kg. Durch Misshandlungen waren ihr Verletzungen an Kopf und Kiefer zugefügt worden, ein Backenzahn wurde ausgeschlagen, es gab Verletzungen in der Nierengegend und einen Muskelriss am Gesäß. Auch wurden Versuche mit Blendungen der Augen vorgenommen. Im Winter 1944/45 hatte sie beim Apell nur leicht bekleidet in eisiger Kälte im Freien stehen müssen, dabei zog sie sich Erfrierungen an der linken Hand zu. Sie wurde vergewaltigt und Opfer von medizinischen Versuchen. 

In Hamburg arbeitete Renate Adler zu erst als Sekretärin in der jüdischen Gemeinde und später als Schneiderin und als Übersetzerin in verschiedenen Unternehmen. 1952 wanderte sie in die USA aus. Am 15. November 1996 starb sie im Altern von 71 Jahren in New York.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert