Über die Familie Schwarz und Karolina Steinbach aus der Lerchenstraße 14 in St. Pauli

In der Lerchenstraße 14, Haus 3, lebte seit Mai 1929 die Familie von Frieda (geb. 1907) und Constantin Schwarz (geb. 1900) in einer 3-Zimmer-Wohnung. Das Paar hatte vier Kinder: Albert (geb. 1927), Ruwald (geb. 1928) und die Zwillinge Fredi und Otto (geb. 1933). Constantin arbeitete als Schausteller. Das Ehepaar hatte sich vermutlich 1939 getrennt. Sie zog in die Gerhardstraße 1.

Quelle: Hausmeldekartei zur Lerchenstraße 14

Albert und Ruwald Schwarz sind vermutlich in St. Pauli zur Schule gegangen. Ruwald hatte eine Lehre zum Tischler begonnen. Vater Constantin, arbeitete von 1939 bis 1941 Kraftfahrer für eine Apotheke in der Juliusstraße im Schanzenviertel. 1940 war die Großmutter Lisette (geb. 1880) von den vier Kinder, und Mutter von Constantin, von der Paulstraße 22 (heute Otzenstraße) in die Lerchenstraße 14 gezogen. Sie hatte ein Zimmer im Haus 3 und kümmerte sich um den Hausstand. Als selbstbewusste Händlerin dürfte sie für das Haushaltseinkommen der Familie gesorgt haben. 

Die dritte Deportation von Roma und Sinti aus Hamburg nach Auschwitz

Am 18. April 1944 wurden 26 in Hamburg lebende Sinti und Roma nach Auschwitz deportiert. Ausgenommen wurden Menschen, die einen “arischen” Lebenspartner hatten – jedoch wurden deren Kinder zwangssterilisiert. Auch das war Teil der nazistischen Vernichtungsstrategie. Über den 18. berichtete später eine Nachbarin aus der Lerchenstraße 10, Frau Carlson: “Ich erinnere mich noch daran, wie der Sohn von Frau Schwarz weg kam und wir hörten die Schreie der Kinder. Wir mussten allerdings laut Anordnung der Kripo vom Fenster wegtreten.”  

Quelle: Staatsarchiv Hamburg, 351-11_4660

Aus Sorge vor weiteren Deportationen floh Lisette Schwarz mit ihrer Tochter Christine und deren beiden Kindern aus Hamburg. Sie  lebten danach illegal bei Freunden: Erst in der Nähe von Bremerhaven und bis zur Befreiung 1945 im niedersächsischen Oldenburg. Zu den Verschleppten aus der Lerchenstraße 14 gehörte auch Karolina Steinbach, die bei den Schwarz‘ wohnte. Über sie liegen keine weiteren Informationen vor. Die Wohnung wurde anschließend von der örtlichen Polizei versiegelt. Der Hausstand sollte versteigert werden. Schließlich zog ein Nachbar aus der Lerchenstraße in die Wohnung im Haus 3 ein, dessen Wohnung im Juli 1943 zerstört worden war. Für das Mobiliar hatte er vor der Versteigerung 1.500 RM an den Gerichtsvollzieher gezahlt. Das entsprach damals einem durchschnittlichen Jahreseinkommen.

Extra-Lager im KZ Auschwitz 

Im KZ Auschwitz gab es ein eigenes Lager für Sinti und Roma, das so genannte Zigeunerlager. Am 2./3 August 1944 wurde es aufgelöst. Fast 3.000 Kinder, Frauen und Männer wurden in der Gaskammer ermordet – darunter aller Wahrscheinlichkeit nach auch die elfjährigen Zwillinge Fredi und Otto Schwarz. Der Kommandant von Auschwitz, Rudolf Höß, über den gerade der Film „The Zone Of Interest“ läuft, erklärte: “Erst als sie barackenweise nach dem Krematorium I wanderten, merkten sie es. Es war nicht leicht, sie in die Kammern herauszubekommen.”  1.400 Sinti und Roma wurden – soweit sie als arbeitsfähig eingeschätzt worden waren – noch am selben Tag ins KZ Buchenwald verschleppt. Constantin kam von dort aus am 7. Oktober 1944 ins Außenlager “Dora”. Vier Tage später suizidierte er sich. Ruwald Schwarz starb mit 16 Jahren am 4. Februar 1945 im KZ Buchenwald. Für den ältesten der Brüder, Albert, wurde ebenfalls der 4. Februar 1945 als Todestag dokumentiert

Die Deportationen der Sinti und Roma aus Hamburg

Seit 1940 hatte das NS-Regime damit begonnen, Sinti und Roma in den Osten zu deportieren, um sie dort systematisch zu vernichten – bis zu 500.000 Sinti und Roma wurden insgesamt vom NS-Regime ermordet.

Wie die jüdischen Menschen fielen sie unter die so genannten Nürnberger Gesetze von 1935. Das bedeutete, dass sie als nicht “deutschen Blutes” galten. Die Sinti und Roma waren zudem schon lange zuvor eine verfolgte und rassistisch ausgegrenzte Gruppe. Von den Nazis wurden sie als “asozial” tituliert. Der Begriff diente dazu, Menschen öffentlich der Diffamierung und Ausgrenzung freizugeben. Mit dem Stempel „arbeitsscheu“ waren Sinti und Roma bereits 1938 kampagnenartig und ohne jede Grundlage in KZ verschleppt worden. Ihre finanziellen Lebensgrundlagen wurde ihnen durch die Politik des Regimes entzogen,  den Selbstständigen unter ihnen die Gewerbescheine entzogen, so dass sie ihre Tätigkeit auch nicht mehr nachgehen konnten. In Hamburg plante man noch 1939, Sinti und Roma in einem Lager in Billstedt zu kasernieren und sie zur Zwangsarbeit einzusetzen. Am 20. Mai 1940 wurde über den Hannoverschen Bahnhof (heute Hafencity) über 1.000 Sinti und Roma ins besetzte Polen deportiert. Am 11. März 1943 erfolgte eine weitere Deportation von 357 weiteren Menschen ins KZ Auschwitz. Die dritte Deportation erfolgte am 18. April 1944 ebenfalls nach Auschwitz. 

Hier die Nachbarschaftsinfo als pdf.

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