Johanna Worms, geboren 15. November 1897

Johanna Worms überlebte den Holocaust, ihre Mutter, Betty Worms, nicht. Ihr Name steht auf deiner der drei Tafeln, die im Haupteingang der Ganztagsgrundschule Sternschanze hängen. Sie erinnern an die rund 1.700 jüdischen Menschen, die am 15. und 19. Juli 1942 von Hamburg nach Theresienstadt/Terezin deportiert wurden. Die Schule war eine Sammelstelle, von wo aus sie von der Hamburger Polizei zum Hannoverschen Bahnhof gebracht wurden. Von dort wurden sie in die CSR verschleppt. Das sogenannte „Alters“-Getto war neben den KZs wie Auschwitz Teil der Strategie Nazis, alle Juden Europas zu vernichten.Betty lebte mit ihrer Schwester Rosa Stern vor der Deportation in einem „Judenhaus“ Bundesstraße 43, dem ehemaligen Warburg-Stift.

Betty war mit Carl Worms, geb. 12. Februar 1875, verheiratet. Das Paar hatte drei Kinder, Johanna, geb. 15. November 1897, Claire, geb. 9. Mai 1900, und Babette 1901-1902. Nach der Geburt von Babette verließ Carl die Familie, Betty zog ihre Kinder allein groß. Für Johanna war ihre Mutter ein Leben lang die wichtigste Bezugsperson. 

Von 1920 bis 1926 war Johanna mit dem Artisten Albert Meyer, geb. am 5. April 1888, verheiratet, danach trennte sich das Paar. Am 27. Dezember 1932 heiratete sie Johannes Gerlakus „Hans“ Marinesse, der am 18. August 1899 geboren worden war. Er hatte Anfang der 20-er Jahre seine Geburtsstadt Rheine verlassen und war zusammen mit seinem Bruder Gerhard Marinesse (1903-1961) nach Hamburg gegangen, um Arbeit zu finden. Während Gerhard sich als Lagerarbeiter durchs Leben schlagen musste, war Hans als Immobilienmakler tätig. Die Familie wohnte in der Borgfelder Straße 63. Hans nahm sich aus am 15. Januar 1935 das Leben. Johanna fand bei C&A Brenninkmeyer in der Mönckebergstraße als Verkäuferin Arbeit. Da sie allein die Wohnung der Borgfelder Straße 26 nicht halten konnte, zog sie zu ihrer Schwester Claire in die Hammerbrookstraße 116.

Anfang 1939 wollte Johanna wie immer zur Arbeit gehen, doch dann erschien die Gestapo wegen angeblicher „Rassenschande“ bei ihr und verschleppte sie für vier Monate ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel, eine Zeit lang davon auf der Krankenstation, da ihr ein Wärter ein Auge zerschlagen hatte. Später erblindete sie auf dem Auge ganz. Dass sie das KZ wieder verlassen konnte, hatte sie ihrer Schwester zu verdanken, die eine internationale Hilfsorganisation einschaltete, um Johanna die Auswanderung nach England zu ermöglichen. Sie mussten sich verpflichten, nach dem verlassen des KZ Fuhlsbüttel Deutschlanfd zu verlassen. Sie ließ ihre Möbel in der Bundesstraße 43 bei der Mutter.

Johanna konnte fliehen. Als sie Hitler-Deutschland verließ, musste sie ihren gesamten Besitz – also auch den Nachlass von Hans Marinesse – zurücklassen. Sie kam am 30. Mai 1940 auf der Isle of Man an, eine selbstverwaltete britische Besitzung in der Irischen See mit damals 52 000 Einwohnern. 

England erklärte Deutschland am 3. September 1939 den Krieg; einige Monate später, am 1. Juni 1940, auch dem faschistischen Italien. Für die deutschen Flüchtlinge veränderte sich die Lage damit grundlegend: Sie wurden auf der Insel interniert, Männer und Frauen getrennt. Während viertausend Frauen mit ihren Kindern in dem Ferienort Rushen an der gegenüberliegenden Küste untergebracht und von den Einwanderungs- und Sicherheitsbehörde beaufsichtigt wurden, waren die bewachten Unterkünfte der Männer mit Stacheldraht versehen. Unter erbärmlichen Bedingungen, die zu Krankheiten und Unterernährung führten, verbrachten die Flüchtlinge einige Zeit in Gefängnissen oder in eilig hergerichteten Lagern in Rennbahnställen, verlassenen Fabriken und unfertigen Gebäuden ohne Heizung und Sanitäranlagen. Einige Männer schliefen in Zelten. Im Laufe der nächsten 18 Monate wurden weitere Flüchtlinge auf veraltete Schiffe gepfercht und nach Kanada und Australien deportiert.

In dieser Zeit des Umbruchs war Johanna als Hausangestellte bei einem ranghohen britischen Militär beschäftigt. Die Zahl der jüdischen Insassen in den Internierungslagern nahm nach März 1941 stetig ab, da ihnen die Möglichkeit geboten wurde, sich zum Militärdienst zu melden. 1941 erhielt sie eine Aufenthaltsgenehmigung für England. Am 27. Mai 1941 konnte sie endlich das Internierungslager auf der Isle of Men verlassen und nach Halifax auf dem britischen Festland wechseln.

Im Januar 1945 heiratete Johanna Heinrich Kohn-Kelly. Das Paar zog nach London. Am 13. Dezember 1952 starb Heinrich. Am 7. Februar 1972 starb Johanna Anita Kohn-Kelly in London. Sie wurde im Stadtteil Brent begraben.

Betty Worms war am 1. Dezember 1942 in Theresienstadt/Terezin gestorben. Carl Worms wurde am 10. Februar 1943 in Auschwitz vergast. Johannas Schwester Claire Möller kam zusammen mit ihrem Mann Peter Heinrich bei einem Luftangriff der Alliierten im Jahr 1943 ums Leben.

Jan Gerhard Marinesse, Holger Artus

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