Heute, vor 80 Jahren, mussten sich Berta, Herbert, Marion, Ruth und Tana Lesheim aus dem Kleinen Schäferkamp 16, Haus B, auf dem Platz an der Moorweide in der Nähe des Dammtor Bahnhof einfinden. Aber auch andere jüdische Mieter/innen aus dem Weidenviertel in der Agathenstraße 3, Kleiner Schäferkamp 32, Schäferstraße 31 und der Schäferkampsallee 61 erhielten ihre Deportationsbefehl – per Post. Im Schanzenviertel handelt es sich um die Bartelsstraße 72, der Juliusstraße 8 a, der Parallelstraße 13/heute Eifflerstraße oder der Schanzenstraße 119. Insgesamt mussten sich an diesem Tag über 1.000 jüdische Menschen aus Hamburg hier einfinden. Es war der erste Deportationszug aus unser Stadt ins Getto von Lodz,Litzmannstadt, im besetzten Polen. Die Hamburger Polizei hatte am 21. Oktober 1941 eine namentliche Liste erstellt. Von den 1.035 verschleppten überlebten 15. Aus Hamburg gab es bis 1945 insgesamt 20 Deportationen jüdischer Menschen in Orte ihrer Vernichtung. Die größte erfolgte am 15. und 19. Juli 1942 über die damalige Volksschule Schanzenstraße, heute die Ganztagsgrundschule Sternschanze, am Bahnhof Sternschanze.
Die Namen der Deportierten jüdischen Menschen aus unser Nachbarschaft am 25. Oktober 1941
Kleiner Schäferkamp 16, Haus 1, Parterre | Agathenstraße 3 | ||
Berta Lesheim | 22.06.1901 | Leopold Drutowski | 19.10.1878 |
Herbert Lesheim | 09.08.1904 | Margarethe Conu | 01.06.1878 |
Marion Lesheim | 14.10.1936 | Aron Königsbuch | 21.04.1893 |
Ruth Lesheim | 27.05.1930 | Elisabeth Königsbuch | 12.04.1896 |
Tana Leisheim | 12.07.1939 | Elsa Kohls | 19.11.1894 |
Kleiner Schäferkamp 32 | Berthold Rappaport | 19.09.1932 | |
Boris Förster | 09.07.1936 | Ella Rappaport | 20.02.1925 |
Rosa Förster | 10.04.1887 | Fanny Rappaport | 30.05.1900 |
Schäferstraße 31 | Leib Rappaport | 20.04.1885 | |
Alexander Herzberg | 13.08.1893 | Rosa Cahn | 07.09.1862 |
Kurt Herzberg | 16.10.1922 | Schäferkampsallee 61 | |
Riecke Herzberg | 03.04.1894 | Gertrud Meyer | 26.03.1891 |
Elli Drutowski | 13.12.1877 | Johanna Meyer | 09.10.1887 |
Martha Meyer | 12.03.1887 |
Das Getto in Lodz/Litzmannstadt
Im September 1939 überfiel die Wehrmacht Polen und besetzte auch die zweitgrößte polnische Stadt Lodz. Später erhielt sie den Namen Litzmannstadt und wurde Hamburgs Partnerstadt. Gleich nach dem Einmarsch begannen die deutschen Besatzer mit der Schikanierung und Entrechtung der Juden. Im Februar 1940 bestimmten sie einige Stadtviertel zum hermetisch abgeriegelten Getto und pferchten 164.000 Menschen bei katastrophalen hygienischen Verhältnissen darin ein. Da die Getto- bewohner ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten mussten, herrschte bald extremer Hunger. Durch die Lebensumstände starb etwa ein Viertel der Bewohner. Bis 1944 entstanden zahlreiche Werkstätten, in denen für die Wehrmacht und für private Betriebe, darunter das Hamburger Alsterhaus, produziert wurde. Ab Dezember 1941 begannen im 55 km entfernten Vernichtungslager Chelmno die Massentötungen in Gaswagen.
Erinnerung an Deportationen bei uns im Stadtteil
Am 9. November 2021, anlässlich der November-Pogromen 1938, wollen wir eine Stolperschwelle vor der Ganztagsgrundschule Sternschanze in der Schanzenstraße verlegen. Sie soll an die Schülerinnen und Schüler der Israelitischen Töchterschule aus der Karolinenstraße 35 erinnern, die am 15. und 19. Juli 1942 über die Schule Schanzenstraße verschleppt wurden. Es handelt sich um 13. Sie hatten am 30. Juni 1942 ihr Abgangszeugnis bekommen. Die Israelitische Töchterschule selber war bereits zum 14. Mai 1942 geschlossen wurde.
Um 18 Uhr findet eine Kundgebung gegenüber dem Sternschanzen-Bahnhof statt. Dort wird auch ein Sohn eines Schülers der jüdischen Schule sprechen. Um 18.30 Uhr wollen wir vom Vorplatz des Vereinshaus des SC Sternschanze zur Schule gehen, um die Stolperschwelle für die 13 Schülerinnen und Schüler der Öffentlichkeit zu übergeben. Stolpersteine in den Hamburger Gehwegen erinnern an einzelne NS-Opfer, die Schwelle will das Schicksal einer größeren Gruppe aufgreifen.
Am 25. Oktober 2021 wurden die Nachbarn aus den Häusern, in den jüdische Menschen deportiert worden, darüber informiert. Hier z.B. das Info für die Mieter:innen im Kleinen Schäferkamp 16.