Walter Lichtheim, Schlosser-Lehrling in der Weidenallee 10b

Walter Lichtheim wurde am 21. November 1919 in Altona geboren. Von 1931 bis 1936 besuchte er das Christianeum und galt dort als ein besonders begabter Geigenspieler.

Über das schon vor 1933 zunehmend antisemitisch aufgeheizten Umfeld wurde aus einem Protokoll des Klassenlehrern am 25. Juni 1932 sichtbar, dass Walter ihm einen in der Klasse kursierenden Zettel mit der Aufschrift „Juda verrecke! Deutschland erwache!“ gezeigt habe. Die Anstifter erhielten eine Strafe vom Lehrer. Daraufhin wurde Walter nach der Schule von mehreren Mitschülern verfolgt und geschlagen. Auch wurden die beiden Brüder Lutz und Ludwig Anwürfen ausgesetzt: Ihr Vater, der Jude sei, vergifte das Altonaer Trinkwasser.

Sein Bruder Lutz musste als Unterprimaner im November 1938, als jüdischen Kindern der Zugang zu den staatlichen Schulen versperrt wurde, vom Christianeum abgehen. Als Lutz am 1. Dezember 1938, drei Wochen vor seinem 17. Geburtstag, mit einem jüdischen Kindertransport nach England entkommen konnte, reiste sein Bruder Walter, der schon über 18 Jahre alt war, als Begleitperson mit. Für den Fall, dass er nicht zurückkehren würde, wurde seiner Mutter Konzentrationslagerhaft angedroht. Er kam zurück. Dann versuchte auch er aus der Heimat zu fliehen. 1940 absolvierte er eine Ausbildung in einer Schlossereiwerkstatt in der Weidenallee 10b.

Am 9. Mai 1940 beantragte seine Mutter die Freigabe von 150 Reichsmark von ihrem Konto für Auswanderungsbemühungen für meinen Sohn, sie wies Kabelkosten nach, die an die Hamburg-Amerika-Linie zu zahlen waren. Das Geld wurde bewilligt. Doch die Emigrationspläne schlugen aus unbekannten Gründen fehl. Im Oktober 1941 wurden dann Auswanderungen generell verboten. Für den 25. Oktober 1941 erhielten Margarethe und Walter Lichtheim die Deportationsbefehle nach Lodz.

Sie wurden am 25. Oktober 1941 mit dem ersten Großtransport von 1034 Hamburgern und Hamburgerinnen jüdischer Herkunft ins Getto Lodz (Litzmannstadt) ins deutsch besetzte Polen deportiert. Am 15. Mai 1942 wurde Margarethe Lichtheim in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) transportiert und dort ermordet. Im Mai 1944 schrieb Walter Lichtheim aus dem Getto Lodz eine Postkarte an Harry Goldstein vom Jüdischen Religionsverband das war sein letztes Lebenszeichen. „Lieber Onkel Harry! Ich freue mich, dir endlich schreiben zu können, daß ich gesund bin und auch unverändert arbeite. Die Zeit vergeht so schnell, besonders, wo ich jetzt schon seit 1 1 2 Jahren mein Leben alleine führen muss, da Mutti und Tante fortgereist sind. Bitte laß recht bald wenn möglich von dir hören, deiner lieben Frau, allen Freunden und dir selbst herzlichste Grüße von Deinem Walter“.

Am 30. Juni 1944 verließ Walter Lichtheim das Getto Lodz, wo er bis zuletzt als Schlosser gearbeitet hatte. Notiert wurde im Abmeldungsbogen als Ursache eine Aufforderung zur Arbeit außerhalb des Gettos. Im Juni und Juli 1944 wurden etwa 7200 Menschen von Lodz in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) transportiert und dort in Gaslastwagen ermordet, unter ihnen war Walter Lichtheim.

Ludwig Lichtheim überlebte den Krieg. Er ging später nach Australien, studierte und arbeitete als leitender Ingenieur bei den Wasserwerken im Staat Viktoria. 1978 verstarb er. Seine traumatischen Erfahrungen konnte er nie überwinden, vor allem deprimierte ihn tief, dass er die Rückkehr seines Bruders nach Deutschland nicht hatte verhindern können.

Ein Stolperstein in der Palmaile 56 erinnern an Walter Lichtheim und seine Mutter, Magarethe Lichtheim.

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