
Günter Schanzer war einer der Untermieter von Anna Loeb in der damalige Heidestraße 27 (heute Heider Straße). Anna Loeb wohnte seit Juni 1935 in der damaligen Heidestraße 27, sie war verheiratet und war zum Zeitpunkt 45 Jahre alt. Die „Nürnberger Rassengesetze“ waren gerade 1935 beschlossen worden. Sie erklärten jüdische Menschen, Sinti und Roma sowie People of Color zu minderwertigen Menschen. Später wurde jüdischen Menschen das Wohnrecht genommen, sie verloren ihre Arbeit, ihre Kinder durften nicht mehr auf staatliche Schulen gehen u.a.m. Ihre Lebensverhältnisse änderten sich grundlegend. Die Absicht des NS-Systems war bis Ende der 1930er Jahre, sie aus Deutschland zu vertreiben. Der Blick der Betroffenen war auf ihre Kinder gerichtet, was aus ihnen wird. Sie sollten möglichst fliehen können.
Die vielen Bewohner:innen von Anna Loeb ab 1938/1939
Zu Anna Loeb zogen ab 1938 viele jüdische Menschen in die Wohnung, die aus den ländlichen Regionen nach Hamburg geflohen waren.. So wohnten von 1938 bis 1941 Regina Lichtenstein (geb. 1885), Herbert Weiss (geb. 1899), Sally Loeb (geb. 1879), Ernst (geb. 1908) und Inge Bauer (geb. 1915) in der 3 ½ Wohnung von Anna Loeb.
Die Kinder und Jugendlichen in der Wohnung von Anna Loeb ab 1940
Unter ihnen waren auch acht Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren, die von ihren Eltern getrennt lebten und in (jüdischen) Werkschulen in Hamburg einen Beruf erlernen konnten. Sie lebten ab 1940 mit in der Wohnung. Diese Form der Ausbildung für jüdische Jugendliche hatte das NS-System erlaubt, weil ihr Zweck darin bestand, dass sie danach nach Palästina zogen. Faktisch war die Ausreise nach Palästina (über England) mit Beginn des 2. Weltkrieges im September 1939 aber nicht mehr möglich. Die Jugendlichen aus der Wohnung von Anna Loeb waren: Ruth Heymann (geb.1925) und ihre Schwester Helga (geb.1927), Ilse Hallenbach (geb. 1924), Hertha Devries (geb. 1924), Kurt Philipps (geb. 1924), Gert Kohn (geb. 1926), Peter Glück (geb. 1925) und Günter Schanzer (geb. 1926). Ruth Heymann kam im März 1940 und zog im September/Oktober 1940 wieder nach Gelsenkirchen, ihre Schwester folgte ihr im Mai 1941. Auch Ilse Hallenbach lebte nur drei Monate bis Dezember 1940 in der Wohnung. Dafür zogen andere jungen Menschen in die Wohnung.
Räumung der Wohnung beginnt mit den Deportationen ab 1941
Die NS-Führung hatte 1941 entschieden, die Menschen in die besetzten Gebiete im Osten zu verschleppen und dort zu ermorden. Zwischen dem 24. Oktober 1941 und dem 17. November 1941 wurden alle jüdischen Bewohner:innen aus der Parterre-Wohnung vertrieben. Entweder wurden sie am 24. Oktober 1941 nach Riga oder am 8. November 1941 nach Minsk deportiert oder mussten in “Judenhäuser” in Hamburg umziehen, um von dort deportiert zu werden. Von den jungen Menschen wurden Kurt Philipps und Gert Kohn am 8. November 1941 nach Minsk deportiert. Ruth und Helga Heymann wurden später über Gelsenkirchen verschleppt. Da Peter Glück, Kurt Adler und Günter Schanzer zum Zeitpunkt formal noch in einer Ausbildung in der Werkschule in der Weidenallee 10 bc waren, lebten danach sie in der Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße 35. Wie heute gab es einen praktischen Teil der Ausbildung in der Werkschule in der Weidenallee, die Allgemeinbildung erfolgt einmal in der Woche in der Israelitischen Töchterschule.
Lebensstationen von Günter Schanzer

Günter Schanzer wurde am 28. Oktober 1926 in Dortmund geboren. Seine Eltern waren Elli und Oskar Schanzer. Er lebte mit seiner Schwester und ihren Eltern im Oestermärsch 27. Sein Vater kam aus dem polnischen Witanowice und war Kaufmann. Seine Eltern werden versucht haben, für ihn eine Zukunft ohne Hass und Verfolgung zu ermöglichen. Er ging von Dortmund nach Paderborn und lebte seit dem 25. April 1938 Schüler im jüdischen Waisenhaus in der Leostraße. Dort lebte er bis zum 15. Mai 1941.
Eine Ausbildung zum Schlosser begann oder setze er in einer jüdischen Werkschule in Jessen-Mühle (heute Powiat Żarski) fort Am 1. September 1941 zog er in die Heidestraße 27 und konnte seine Schlosserlehre in der Werkschule in der Weidenallee 10 bc bis zum Februar 1942 fortsetzen.
Seine späteren Umzüge in Hamburg aus der Heidestraße 1942 spiegeln die Vernichtungsstrategie des NS-Systems wider. Mit der Schließung der Werkschule im Februar 1942 zog von der Heidestraße 27, in die Karolinenstraße 35, zusammen mit Peter Glück und Karl Adler, dem Schulgebäude der Israelitischen Töchterschule. Da diese zum 19. Mai 1942 geräumt sein musste, musste er danach im (jüdischen) Waisenhaus im Papendamm 3 leben, das noch bis zum 30. Juni 1942 den Schulbetrieb für die Israelitische Töchterschule dort aufrechterhielt. Dann wurde sie durch die Stadt Hamburg geschlossen. Günter, Karl und Paul – alle drei lernten Schlosser – mussten in das sogenannte Judenhaus in der Kielortallee 24 ziehen. Über diese Adresse erfolgte am 19. Juli 1942 die Deportation über die Schule Schanzenstraße nach Theresienstadt/Terezin. Am 28. September 1944 wurde Günter Schanzer von dort nach Auschwitz deportiert. Die Nazis brauchten in Deutschland Arbeitskräfte. Die als arbeitsfähig angesehenen KZ-Häftlinge wurden ab Mitte 1944 über das KZ Auschwitz nach Deutschland deportiert. Wer zu jung oder zu alt war, wurde in Auschwitz ermordet, die anderen kamen nach Deutschland in die KZs. Am 10. Oktober 1944 kam Günter im KZ Dachau an. Wenn er ums Leben gekommen ist, kann ich es Ihnen nicht sagen. Seine Schwester Edith konnte in der NS-Zeit nach England fliehen und suchte 1945 vergebens nach ihm.
Wer aus der Heidestraße 27 überlebte?
Lediglich Ruth Heymann überlebte.
Stolpersteine in der Heider Straße
Für Sally (geb. 1879) und Anna Loeb (geb.1890) liegen zwei Stolpersteine vor der 27. In der Heider Straße liegen insgesamt 13 Stolpersteine, die an NS-Opfer erinnern sollen.